Vor einigen Monaten gab es bereits erste Berichte, dass die GFK-Dächer des Grand California bis zum Baujahr 2022 ab Werk gefährliche Stoffe ausdünsten.
Nicht zuletzt hat das ZDF in einer ausführlichen Reportage in Frontal 21 über den Fall berichtet.
Laut internen VW-Unterlagen, die dem ZDF vorliegen, wurde schon 2021 festgestellt, dass unter bestimmten Bedingungen die Konzentration von flüchtigen organischen Verbindungen im Innenraum deutlich über empfohlenen Richtwerten liegt. Der Stoff, um den es dabei vor allem geht, heißt Styrol – ein Lösungsmittel, das bei der Verarbeitung von glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) eingesetzt wird.
Besonders kritisch: VW selbst hat in einem internen Prüfbericht von „gesundheitsschädlichen Konzentrationen“ gesprochen, wenn das Fahrzeug über längere Zeit genutzt wird. Das Umweltbundesamt stuft Styrol als „möglicherweise krebserregend“ ein. Besonders kleine Kinder gelten als Risikogruppe, weil sie empfindlicher auf solche Schadstoffe reagieren.
Auch wenn VW mittlerweile von einem „Vergangenheitsproblem“ spricht und sich auf veränderte Produktionsprozesse seit Mitte 2022 beruft, bleibt die Frage offen, wie mit den betroffenen Fahrzeugen umgegangen wird – denn eine Rückrufaktion gab es bis heute nicht.
Unser Grand California wurde genau in diesem Zeitraum gebaut, und uns ist der – wie wir damals dachten – typische Neuwagengeruch auch deutlich aufgefallen. Allerdings hat sich das Problem mit der Zeit von selbst erledigt. Wie wir heute wissen, ist das Dach wohl nun vollständig ausgedünstet. Ob wir davon gesundheitliche Schäden davongetragen haben, kann ich an diesem Punkt natürlich nicht beantworten. Selbst wenn es uns gesundheitlich nicht gut gehen würde – wer sagt uns, dass es am Ende am Dach unseres Grand California gelegen hat?
Und nun?
Aber was heißt das nun für Kunden? Sollte man gegen Volkswagen klagen? Aus Erfahrung kann ich sagen: Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Dinge. In Deutschland wird VW mit Sicherheit nicht zur Rechenschaft gezogen. Man sollte sich vor Augen halten: Immerhin hält das Land Niedersachsen 20 Prozent der VW-Aktien und hat darüber hinaus mit dem VW-Gesetz ein Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen.
Ich würde also festhalten wollen: Wer schlägt schon die Hand, die einen füttert? Ich rechne nicht damit, dass es in irgendeiner Form Konsequenzen geben wird – weder auf Managementebene noch zugunsten der Verbraucher.
Eigentlich müsste VWN alle betroffenen Grand California zurücknehmen und den Kunden ohne Wenn und Aber den vollen Kaufpreis zurückzahlen. Dabei sprechen wir noch nicht einmal über eventuelle Entschädigungen. Aber machen wir uns nichts vor: Beides wird nicht passieren – und das schon gleich aus mehreren Gründen.
- Die betroffenen Fahrzeuge sind mittlerweile zu alt, die Dächer ausgedünstet und die Werte liegen alle im Normbereich.
- Selbst wenn man als Kunde Schadensersatz erhalten möchte, muss man vor allem eins tun: einen Schaden haben – und diesen auch nachweisen können. Ich bin kein Jurist, aber ich weiß aus eigener Erfahrung: Das ist de facto unmöglich.
Volkswagen wird also aus dieser Geschichte zumindest finanziell unbeschadet rauskommen. Aber was wieder einmal viel schlimmer ist: der Imageschaden. Nachdem das Vertrauen in den Konzern nach dem Dieselskandal schon vollkommen erschüttert war, ist dies nun der nächste herbe Schlag gegen das einstige deutsche Vorzeigeunternehmen.
Die Arroganz, mit der VWN bzw. das Management vorgeht, ist schon fast beispiellos. Die GFK-Dächer sind dabei noch das geringste Problem. Ich nenne da nur defekte Dachnähte oder Toilettenklappen, durch die Wasser in die Fahrzeuge eindringt. Auch hier hat man als Kunde verloren, sobald das Fahrzeug keine Garantie mehr hat. Dabei sind auch diese Dinge klare Produktionsfehler und müssten selbstverständlich auf Kosten von VWN erledigt werden – unabhängig davon, ob das Fahrzeug noch Garantie hat oder nicht.
Diese Arroganz zieht sich durch den ganzen Konzern. Ob es nun Personen sind, die uns nicht auf den Messestand lassen wollen, weil wir einen kleinen Blog schreiben und es VWN nicht passt, was wir tun. Oder Werkstätten, die die Schuld stets auf den Kunden abwälzen.
Es gibt ja ein Sprichwort: Der Fisch stinkt vom Kopf.
Der Grand California könnte so ein toller Camper sein – wenn man denn im Konzern den nötigen Mut hätte, Probleme zuzugeben und diese zu regeln, und zwar nicht auf Kosten der Kunden.
Bitte macht euch nicht verrückt, wenn ihr einen Cali aus den betroffenen Baujahren habt. Mittlerweile könnt ihr euch sicher sein: Die Dächer sind nicht mehr gesundheitsschädlich – zumindest laut den Aussagen aus den Tests des ZDF.


4 comments
Zwei Aspekte fallen auf wenn man sich gedanklich mit Problemstellungen beschäftigt die man als Verbraucher hat, wenn beispielsweise ein mängelbehaftetes Produkt gekauft wurde oder Eigenschaften eines Produkts nicht mit jenen übereinstimmen die vom Anbieter/Verkäufer beworben wurden. Zunächst braucht es den Nachweis das der Mangel tatsächlich vorliegt und im weiteren der Beweis eines dadurch entstandenen Schadens. Das sind die wesentlichen Punkte und schnell wird klar wie attraktiv Lobbyismus für Konzerne tatsächlich ist. Über die letzten Jahrzehnte verschiebt Lobbyismus anwendbare gesetzliche Regelungen in der Umsetzung zu Gunsten von Konzernen und zu Lasten der Verbraucher. Es geht vereinfacht um die Beweislast die zunächst auf Seiten des mutmaßlich Geschädigten gesehen wird. Selbst für den Fall das rechtliche Vorraussetzungen eine Beweislastumkehr begründen würden, muss ein Gericht dies zunächst feststellen. Eigentlich sollte die Beweislastumkehr gerade z.B. wirtschaftlich unterlegen Parteien helfen in offensichtlich vorliegenden Verfehlungen der Schädigerseite, Recht auf Augenhöhe durchzusetzen. Darüber wo am ende Recht gesprochen wird entscheiden somit die Faktoren, Zeit, Geld und vor allem wer Zugang zu den Daten hat die es braucht Zusammenhänge (Kausalität) mit Beweiskraft zu unterlegen. Hier wird schnell deutlich warum es sicherlich mehr Vergleiche vor Gericht geben muss als es Urteile gibt, die wiederum zitiert werden könnten. Also zitiert von möglicherweise Geschädigten um bei einer Klage gut positioniert zu sein. Logisch erscheint, dass jedes mittels Vergleich vermiedene Urteil dazu dient perspektivisch die Datenlage so zu beeinflussen, dass möglicherweise vorliegende Tatsachen unzugänglich für die Öffentlichkeit bei möglicherweise potenziellen Schädigenden bleiben.
Zumindest gedanklich entsteht ein Modell, Recht zu manipulieren und nach wirtschaftlichen Erkenntnissen und Aspekten entsprechend zu reagieren oder zu agieren. Insbesondere davon abhängig wer wieviel Geld, Zeit und entsprechende Ressourcen und Daten tatsächlich hat. Nehmen wir einfach den Begriff Daten. Das sind nicht nur möglicherweise technische oder anwendungsbezogene oder Normen, es sind auch die Datenmengen und vorliegende Information aus deren Auswertung. Nehmen wir beim Käufer eines mängelbehafteten Autos die Größe EINS, so ergibt sich beim Hersteller ein Multiplikator in der Größenordnung von zigtausend. Diese Daten sind gewissermaßen exklusiv dem zur Verfügung stehend der sie hat und nicht dem zur Verfügung stehend dem sie beispielsweise vor Gericht nutzen können. Vorgenanntes ist möglicherweise eine unbequeme Realität aber einer moralischen Instanz unterstellt die man als Markt bezeichnen kann. Gerade das Internet regelt zunehmend für Anbieter Chance und Risiko für Erfolg und Misserfolg. Viele Konzerne scheitern im Markt weil sie Glauben allzeit die Faktoren Geld, Zeit und Daten zu Ihrem Vorteil anwenden zu können. Zunehmend kehrt sich das Prinzip um denn das Internet vergisst nichts, es sammelt und sammelt und sammelt Daten und verbindet Informationen auf Knopfdruck. Inzwischen gleichsam KI unterstützt, extrem effizient und schnell in genau dem Moment wo die Macht des Verbrauchers sehr ausgeprägt ist. Nämlich im Moment der Entscheidung Geld für etwas bestimmtes ausgeben.
Nur wenige kaufen ein Wohnmobil ohne vorher zu wissen was zum jeweiligen Modell und dem Anbieter im Internet zu erfahren ist.
Zudem hat die Zielgruppe die Anbieter als Kunden definiert haben, heute gerade in der Beschaffung von Informationen sowie dem treffen von Entscheidungen ausgeprägte Kompetenzen. Ob der Grand California Erfolgsmodell wird, ist oder bleibt entscheiden letztendlich Kunden die weiter dem Modell und dem Anbieter vertrauen können. Über diese Daten verfügt ausschließlich der Markt und die Zielgruppe…
It is clear that VWN will continue not to take any responsibility for this particular defect. Customers seem to be powerless. The only solution is for customers to ‘vote with their feet’ and stop buying VW products. This for me is painful given that I have had many VW cars currently and in the past as well as two previous California Oceans and now a GC600.
Ich finde es zumindest kritisch, dass die Berichterstattung hier unverändert übernommen wurde. Damit ich nicht falsch verstanden werde, Ausdünstungen in neuen Fahrzeugen gab es schon immer und es ist sehr bemerkenswert, dass der Gesetzgeber und die Industrie noch keine Alternative gefunden hat.
Aber, wieder zurück zu diesem Fall. Wenn ich es recht verstanden habe, gibt es keine festgelegten Grenzwerte, nur Empfehlungen. Weiter glaube ich verstanden zu haben, dass „nur“ der Grand California getestet wurde, als kein Vergleich zu anderen Konzernfahrzeugen oder Fahrzeugen anderer Marken. Entschuldigung, hier drängst sich der Eindruck aus, dass man sich in der Sommerpause mal wieder einen großen Fahrzeughersteller vorgenommen hat um Pressemeldungen zu verkaufen.
Davon abgesehen, möchte ich alle Tabak und Alkohol Konsumenten Fragen, ob das im Grand California jetzt schädlicher war, als das was sich viele Menschen täglich für viel Geld antun.
Also, ich will hier VW nicht verteidigen, sondern darum bitten die Kirsche im Dorf zu lassen. Bestimmt, wie vorher geschrieben, sind die Ausdünstungen nicht in Ordnung, damit aber gleich ein Marke schlecht zu machen oder nach Rücknahme zu schreien halte ich mehr als verfehlt. Letztendlich ist vieles, was wir tun nicht nachhaltig, auch nicht das Fahren eines Grand California, das belastet die Umwelt, in der wir leben, und auch das machen wir freiwillig, niemand zwingt uns!
PS. Ich fahre auch einen und bin sehr zufrieden, trotz einiger Punkte, die ich mir anders gewünscht hätte. Ach ja, und an alle, die nicht zufrieden sind, unterhaltet euch doch einmal auf Campingplätzen mit den Kastenwagenfahrern anderer Hersteller!
Zum einen sind selbst nach langer Zeit noch deutliche Ausdünstungen messbar, siehe Bericht. Man kann also nicht einfach sagen, dass sich das Problem „von selbst erledigt“ hätte.
Der Vorredner hat außerdem völlig recht: Es gibt viele Schadstoffe – auch im Alkohol. Dort kann aber jeder selbst entscheiden, ob und wie viel er konsumiert. Bei einem Fahrzeug, besonders einem Wohnmobil, in dem man viele Stunden fährt, isst oder sogar schläft, ist diese Selbstbestimmung deutlich eingeschränkt.
Viele kaufen das Fahrzeug für die ganze Familie. Man stelle sich nur vor, in bestimmten Getränken würde heimlich Alkohol beigemischt – ohne Hinweise. Würde man diese Getränke seinen Kindern geben? Natürlich nicht. Genau dieses fehlende Wissen und fehlende Wahlrecht ist hier das Problem.
Und nur weil ein Fahrzeug auffällig wird, heißt das nicht, dass die Situation automatisch besser wäre, wenn man andere Hersteller nicht untersucht. Das erinnert stark an den Dieselskandal: Damals wurde auch gefragt, warum man ausgerechnet bei VW anfängt und was die anderen machen. Und was kam heraus? Bei den anderen war es genauso.